“Hallo Welt! Hoaxmap sammelt Gerüchte und deren Widerlegungen im Zusammenhang mit Geflüchteten.” – mit diesen Worten verkündeten wir in den Abendstunden des 8. Februar 2016 die Veröffentlichung der Hoaxmap. Zu diesem Zeitpunkt versammelte die Karte 176 Gerüchte aus dem deutschsprachigen Raum samt ihren Widerlegungen, sortiert nach Themen, Datum, Ort und Land bzw. Bundesland.
Hallo Welt! Hoaxmap sammelt Gerüchte und deren Widerlegungen im Zusammenhang mit Geflüchteten. Hier: https://t.co/LetlOtUPXl
— Hoaxmap (@hoaxmap) February 8, 2016
Wir erwarteten zunächst, dass sich nur eine eher kleine Teilöffentlichkeit für das Projekt interessieren würde, die sich ohnehin regelmäßig mit Themen wie Asylpolitik, Rassismus oder auch Medien- und Informationskompetenz auseinandersetzt. Es sollte anders kommen – in den Wochen nach der Veröffentlichung waren wir nach Feierabend und an den Wochenenden pausenlos damit beschäftigt, neue Fälle einzutragen, die NutzerInnen uns mitteilten, und Presseanfragen nicht nur aus dem “Einzugsgebiet” der Karte, sondern aus der ganzen Welt zu beantworten. In anderen Ländern wurde die Hoaxmap-Idee aufgegriffen und in ähnlichen Projekten umgesetzt. Die Karte hatte einen Nerv getroffen. Das zeigte sich nicht zuletzt in der Nominierung für den Grimme Online Award 2016.
Das Internet ist ein Hort übler Gerüchte. Interaktiv mit einer Karte bemüht sich @hoaxmap um überfällige Aufklärung & Widerlegung #GOA16
— Grimme-Institut (@grimme_institut) April 28, 2016
Neben dem überwältigenden positiven Feedback blieben auch Negativreaktionen nicht völlig aus. Außer zahlreichen Beschimpfungen und mal mehr, mal minder subtilen Drohungen entwickelte sich ein bunter Strauß an Verschwörungstheorien über die Finanzierung der Karte. Als angebliche Auftraggeber wurden unter anderem die Soros-Foundation, die NATO, das ZDF oder auch Bundeskanzlerin Merkel ausgemacht. Dass die Karte dann auch noch von Bundesjustizminister Heiko Maas oder vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lobend erwähnt wurde, beflügelte erst recht die Gerüchte, staatliche Stellen der Bundesrepublik würde hinter dem Projekt stecken (unseren absoluten Favoriten möchten wir euch nicht vorenthalten: Link). Einige Hater verstiegen sich sogar zu der Behauptung, wir selbst hätten die Gerüchte, deren Widerlegungen auf der Karte zu finden sind, überhaupt erst in die Welt gesetzt.
Bei uns bleibt dennoch die Hoffnung, im ersten Jahr unserer Arbeit nicht in erster Linie selbst einen neuen Gegenstand für Spekulationen, sondern vielmehr vor allem ein Werkzeug für die Recherche von Gerüchten und Falschmeldungen sowie einen Beitrag zu einer Debatte geschaffen haben, in der es lange Zeit fast ausschließlich um Strafverschärfungen und Aushöhlungen des Asylrechts ging und in der Geflüchtete nicht als individuelle Menschen, sondern als einheitliche, bedrohliche Gruppe betrachtet wurden. Wir hoffen, wir konnten helfen, den Blick für Falschbehauptungen und Fälschungen im Internet zu schärfen und Menschen zu bewegen, Inhalt und Herkunft von Meldungen stärker zu prüfen, bevor sie sie in sozialen Netzwerken weiterverteilen.
Auf jeden Fall können wir festhalten, dass Hoaxmap inzwischen eine Institution ist, wenn es um das Thema Falschbehauptungen im Netz geht. Das merken wir auch an den zahlreichen Presseanfragen, die uns in den letzten Wochen im Zuge der Debatte um “Fake News” wieder in verstärkter Form erreicht haben. In dieser Debatte um “Fake News” denkt die Politik nun erstmals über Maßnahmen gegen gefälschte Nachrichten und über rechtliche Konsequenzen für die Verbreiter von Falschbehauptungen nach – im scharfen Gegensatz zur Tatenlosigkeit vor einem Jahr, als PolitikerInnen selbst noch nicht so oft Gegenstand der Falschbehauptungen waren und sie auch noch nicht so sehr um ihre parlamentarischen Stimmanteile fürchteten; im scharfen Gegensatz beispielsweise auch zur Praxis eines Bundesinnenministers Thomas de Maizère, der sich mit zwei unbelegten Behauptungen über Geflüchtete selbst auf der Hoaxmap verewigt hat.
Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen bedanken, die uns bei dem Projekt geholfen und unterstützt haben. Wir bitten um Entschuldigung, wenn wir nicht immer alle Anfragen beantworten konnten – die Arbeit an der Hoaxmap muss bis heute nach dem Feierabend unseres Broterwerbs erfolgen. Wir machen weiter und haben noch viel vor!